Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V.

Interview mit Dr. Stefan Streng

Pflanzenzüchter Dr Stefan Streng

Dr. Streng, Sie sind einer der Züchter, die sich am PILTON-Projekt beteiligen. Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Ich leite einen mittelständischen, familiengeführten Betrieb in vierter Generation und bin mit Herz und Seele Pflanzenzüchter. Wir sind Spezialist für Getreide. Meine zweite Leidenschaft ist die Wissenschaft. Es ist die richtige Kombination – als Züchter innovative Ideen und traditionelle Züchtung zusammenzubringen und so für die Landwirtschaft die besten Sorten zu züchten.

Das Ziel des PILTON-Projekts ist die Entwicklung eines pilztoleranten Weizens. Wie sind Sie auf diese Eigenschaft gekommen?

Uns war es wichtig, eine Eigenschaft zu finden, die eine große Bedeutung für die Landwirtschaft hat, und dort ist die Pilzinfektion ein wichtiges Thema. Wir erleben in den letzten Jahren – auch bedingt durch den Klimawandel – eine immer stärkere Infektion mit Pilzen, gerade im Bereich der Roste. Und deswegen fiel die Entscheidung auf die Pilztoleranz als zu bearbeitende Eigenschaft. Wir stehen vor der Herausforderung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Eine gute Toleranzausstattung von Pflanzen ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

Wir stehen vor der Herausforderung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Eine gute Toleranzausstattung von Pflanzen ist dafür eine wichtige Voraussetzung.

Wo genau liegt der Vorteil für den Landwirt?

Für einen Landwirt ist es wichtig, eine Sorte zu haben, die möglichst tolerant ist gegen Pilzkrankheiten. Vom Keimen der Pflanze bis zur Ernte gibt es verschiedenste Pilze, die immer wieder versuchen, die Pflanze zu schädigen. Mit einer breit angelegten Pilztoleranz, wie wir sie im Projekt anstreben, die nicht nur gegen einen speziellen Pilzbefall wirkt, wollen wir dem Landwirt über einen möglichst langen Zeitraum eine Grundsicherung gegen die wichtigen Pilzkrankheiten Braunrost, Gelbrost, Septoria und Fusarium bieten. Wenn dies funktioniert, muss der Landwirt weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen und kann dadurch Betriebskosten sparen und die Umwelt schonen.

Sorten mit Toleranzen oder Resistenzen zu züchten ist eine der großen Herausforderungen in der Pflanzenzüchtung. Warum ist das so aufwendig, und welche Chancen bieten die neuen Züchtungsmethoden?

In der Pflanzenzüchtung beschäftigen wir uns immer mit der stetigen Verbesserung, mit der Anpassung der Kulturarten an die Umgebung. Ein ganz wichtiger Bereich ist die Anpassung an neu auftretende Krankheiten oder an sich verändernde Krankheitserreger. Das heißt, auch wenn wir heute eine tolerante Sorte haben, bedeutet das nicht, dass sie in fünf Jahren immer noch tolerant ist. Das Virulenzspektrum – so nennen wir das – des Erregers, ändert sich, und deswegen brauchen wir ständig eine Verbesserung der Eigenschaften. Und das ist eine typische Aufgabe von uns Züchtern. Wir sind ständig unterwegs, suchen neue Toleranzen und bringen sie dann auf klassischem Wege über Kreuzungen und Selektion in das bestehende Material ein. Es ist ein nicht endender Prozess und über neue Züchtungsmethoden haben wir jetzt die Möglichkeit, hier schneller und präziser zu sein.

Was ist der Unterschied zwischen neuen Züchtungsmethoden und den klassischen Züchtungsmethoden?

Die Funktionsweise von CRISPR und ähnlichen Technologien ist am leichtesten zu erklären, wenn man den Vergleich zu unserer bisherigen Arbeitsweise zieht. Wenn wir neue Eigenschaften erzeugen wollten, haben wir Pflanzenmaterial mutagenisiert und dadurch ganz kleine Veränderungen im Genom herbeigeführt. Diese waren aber nicht geordnet, sie waren irgendwo, und wir mussten dann wie die Stecknadel im Heuhaufen genau diese Veränderungen finden. Das ist eine sehr aufwendige und zeitraubende Methode, die aber durchaus zum Erfolg führen kann. Mit CRISPR ist es jetzt möglich, zielgenau an einer gewünschten Stelle im Genom diese Veränderung herbeizuführen – genau an der Stelle, wo ich sie haben möchte. Genau das ist der große Vorteil und das Bahnbrechende. Ich kann zielgenau arbeiten. Ich spare mir viel Zeit, viel Geld und habe eine höhere Wahrscheinlichkeit, zum Erfolg zu kommen.

Sie haben sich mit Weizen eine komplexe Kulturart ausgesucht. Was macht die Arbeit mit Weizen so kompliziert?

Der Winterweizen ist in Forschungsprojekten sicherlich einer der schwierigsten und aufwendigsten Kulturarten. Das Besondere an unserem Kulturweizen ist, dass er aus drei Genomen zusammengesetzt ist. Er besitzt drei komplette Chromosomensätze. Wenn ich eine Veränderung durchführen möchte, dann muss ich sie an all diesen drei Genomen vornehmen. Das macht es so aufwendig. Da wir ein praxisorientiertes Projekt durchführen wollten, macht es Sinn, genau an einer so schwierigen Kulturart wie dem Weizen zu zeigen, dass diese Technologie für uns ein starkes Werkzeug sein kann.

Werden alle Unternehmen die neuen Züchtungsmethoden nutzen können?

Mit den neuen Methoden betreten wir Neuland. Wir haben hier eine Technologie wie zum Beispiel CRISPR/Cas, die patentgeschützt und an bestimmte Eigentumsrechte geknüpft ist. Hier stehen wir vor Herausforderungen. Und zwar bei der Technologie auf der einen Seite, aber auch bei dem Merkmal, das wir gerne einbringen möchten. Wir müssen uns hier herantasten. Wir müssen schauen, wie können wir auch als Mittelständler, als gesamte Branche Wege finden, dass hier niemand ausgeschlossen oder übervorteilt wird. Das ist eine Aufgabe, die ein Züchter alleine nicht lösen kann. Deshalb machen wir ein gemeinsames Projekt.

Wir müssen schauen, wie können wir auch als Mittelständler, als gesamte Branche Wege finden, dass hier niemand ausgeschlossen oder übervorteilt wird. Das ist eine Aufgabe, die ein Züchter alleine nicht lösen kann.

Wie viele Unternehmen unterstützen das Projekt?

Es war sehr schnell klar, dass fast alle Unternehmen Interesse haben, an diesem Projekt teilzunehmen. Das heißt, wir haben knapp 60 Unternehmen, also fast alle Saatgutunternehmen mit eigenem Züchtungsprogramm, an Bord. Das ist ein ganz starkes Commitment für dieses Projekt und die Fragestellungen, die wir beantworten wollen. Normalerweise arbeiten wir in bi- oder trilateralen Projekten zusammen, aber hier beteiligt sich fast die gesamte Branche.

Was ist das Neue, das auf die Pflanzenzüchter zukommt?

Wir arbeiten bisher sehr stark im Sortenschutz. Mit den neuen Züchtungsmethoden bewegen wir uns aber auch in dem Bereich des Patentschutzes. Hier geht es darum, zum einen diese Technologie zu ermöglichen, zum anderen aber auch, die Rahmenbedingungen für uns als Züchtungsbranche zu setzen – fairen Zugang für alle Unternehmen, egal ob groß oder klein, international oder lokaler Züchter.

Am Ende wird auch die gesellschaftliche Akzeptanz darüber entscheiden, ob es in der Zukunft neue Pflanzensorten geben wird, deren verbesserte Eigenschaften mithilfe der neuen Züchtungsmethoden gezüchtet wurden. Was ist Ihre Idee, wie diese gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen werden kann?

Es sind zwei Punkte, die ganz wichtig sind. Das eine ist Transparenz, offenes Umgehen mit der Einführung neuer Methoden. Das zweite ist der Nachweis, dass diese Methode wirklich einen Vorteil hat, und zwar nicht nur einen Vorteil für den Landwirt selbst, der einen sicheren Ertrag bekommt, sondern auch für den Verbraucher, für die Gesellschaft und bezogen auf das Ziel, Pflanzenschutzmittel im Sinne einer nachhaltigeren Landwirtschaft einzusparen. Wenn wir diese Beweise antreten und zusätzlich transparent sind, ist das ein möglicher Weg, wie wir Akzeptanz bei der Bevölkerung schaffen können.

Interview vom 20.07.2020

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